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problematische Forscher*innen - Opportunismus vs. Idealismus

Die hier vorgestellten Wissenschaftler*innen zeigen uns, wie ambivalent wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Vergangenheit sein können - und wie schwierig eine Interpretation ist. Alle ihre Ergebnisse und Errungenschaften beeinflussen unser heutiges Biologie- und damit Weltverständnis und stehen trotzdem stellvertretend für grausame Überzeugungen und problematische Vergangenheiten. Um die Texte im Unterricht oder für Seminare zu nutzen, können ein paar Anschlussfragen für eine Diskussion gestellt werden:

Haben die Akteur*innen aus ideologischen oder opportunistischen Beweggründen gehandelt?

Amalie Dietrich hat in einer misogynen und patriarchalen Gesellschaft damit gekämpft, sich und ihre Tochter zu versorgen und sah in der Australienreise eine Möglichkeit, sich endlich zu beweisen. Hans Nachtsheim hat, so zeigt es die Quellenlage, ebenfalls von dem System der Nationalsozialisten profitiert und konnte seine Forschung vorantreiben, ohne eventuell wirklich überzeugt von der Ideologie zu sein. Bei Ernst Haeckel und Konrad Lorenz scheint der Idealismus die treibende Kraft gewesen zu sein und ihre Forschung war von ihrer Überzeugung deutlich eingefärbt. Rechtfertigen diese Umstände manche Handlungen? Lässt die Schwere der Schuld unterschiedlich gewichten?

An solche Gedanken schließt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, Wissenschaft und forschende Person zu trennen. Dabei ist es wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass Forschung fast nie frei von Bias und Stereotypen ist. In der Geschichtswissenschaft spricht man von der Standortgebundenheit einer Historikerin oder eines Historikers. Als Wissenschaft, die auf historischen Erzählungen basiert, musste die Geschichtswissenschaft sich früh mit der Frage der Subjektivität auseinandersetzen, was zu großen Streits geführt hat und immer noch führt. Die Standortgebundenheit besagt, dass die Herkunft und die Prägungen im Heranwachsen das Urteilsvermögen der Historiker*innen immer beeinflussen werden.

Biologie und andere Naturwissenschaften müssen sich nicht von vornherein für Subjektivität rechtfertigen, aber auch Naturwissenschaftler*innen leben und arbeiten in Gesellschaften, die sie prägen. Können wir also überhaupt eine wissenschaftliche Theorie annehmen, ohne die Biografie des Forschenden zu kennen? Inwieweit können “gute” Erkenntnisse (wie die von Konrad Lorenz über Enten und Gänse) weiterverbreitet, aber der oder die Wissenschaftler*in verurteilt werden?