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Festsitzende Schliffe trennen

Problem, mit dem man (auf unterschiedliche Arten) fertig werden muss.

Gründe für festsitzende Schliffverbindungen

können sein:

  • Glas ätzende, polymerisierende oder verharzende Stoffe sind zwischen die Schliffflächen gelangt.
  • Die Schliffe passen nicht exakt aufeinander und haben sich ineinander verkeilt (festgefressen).
  • Es wurde ein kalter Schliffkern in eine heiße Schliffhülse gesteckt. Die Schliffhülse hat sich beim Abkühlen zusammengezogen und hält den Schliffkern nun wie eine Schraubzwinge fest. Natürlich sehen Sie solch minimale Ausdehnungsbewegungen nicht. Aber bedenken Sie, dass Sie es hier mit Passgenauigkeiten von 1/100stel Millimetern zu tun haben!
  • Ein Kolben mit einer sich nahe am Siedepunkt befindlichen Flüssigkeit wurde mit einem Stopfen verschlossen. Beim Abkühlen kondensiert der im Kolben befindliche Lösemitteldampf und erzeugt dadurch ein Vakuum im Kolben, welches den Stopfen fest in die Hülse zieht.
  • Zusammensteckende Schliffverbindungen wurden lange Zeit nicht bewegt.

Verhindern von festsitzenden Schliffverbindungen

  • Verwenden Sie nur passgenaue Schliffe.
  • Fetten Sie die Schliffverbindungen sparsam aber ausreichend, wenn Sie mit Substanzen arbeiten, die beim Erkalten verharzen oder fest werden oder die polymerisieren oder die Glas anätzen (stark basische Lösungen). Achten Sie beim Einfüllen von Substanzen darauf, dass diese nicht an die Schliffwände gelangen. Verwenden Sie einen Trichter!
  • Sehr zuverlässig kann man das Festbacken von Schliffverbindungen verhindern, wenn man Glas-Glas-Kontaktflächen vermeidet und statt dessen Glas-Teflon-Kontaktflächen schafft. Ein Teflon-Hahnküken verbackt so gut wie nie, wenn es wie vorgesehen in polierte Schliffflächen gesteckt wird. An rauhen geschliffenen Flächen frisst bei längerem Kontakt auch das Teflonküken fest. Beim Zusammenstecken von Apparaturteilen aus Glas kann man Teflonmanschetten verwenden. Das ist eine dünne Teflonfolie, die genau zwischen die Schliffflächen passt. Da die Schliffverbindungen nach der Reaktion wieder getrennt werden, sind hier keine polierten Schliffe notwendig.
  • Zerlegen Sie Schliffverbindungen, wenn sie lange Zeit nicht benutzt werden. Ziehen Sie das Hahnküken aus den Hähnen sowie das Oberteil aus den Gaswaschflaschen. Eine Alternative ist, die Teile zusammengebaut zu lassen, dabei aber zwischen die Schliffflächen einen Streifen Papier mit einzuklemmen. Sie verhalten sich nett zu den Kommilitonen des nächsten Semesters, wenn Sie dies konsequent bei der Abgabe Ihres Arbeitsplatzes beachten.

Was tun, wenn es dennoch passiert ist?

Richtig anfassen

Wenn Sie festsitzende Schliffverbindungen trennen wollen, müssen Sie die zu trennenden Teile richtig anpacken. In Sicherheitsunterweisungen lernen Sie, dass dabei lange Hebel zu vermeiden sind, weil das Glas sonst bricht. Aber es kommt auch darauf an, möglichst viel Kraft auf die zu trennenden Teile zu bringen, die die Verbindung effektiv trennt, ohne dass das Glas bricht. Da jede Situation anders ist, müssen Sie ein Erfahrungswissen ansammeln - es gibt keine festen Regeln.

  • Verwenden Sie Handschuhe, wenn sich Flüssigkeiten in den zusammengesteckten Teilen befinden und nicht vorher herauszubekommen sind. Beim ruckartigen Trennen der Verbindung kann Ihnen sonst etwas über die Hand schwappen.
  • Tücher und ähnliches sind ungeeignet, weil das die Geschicklichkeit herabsetzt.
  • Wenn Sie nicht austretende Chemikalien, sondern den Bruch des Glases befürchten, können Sie sich mit Schnittschutzhandschuhen auch davor schützen. Sie bekommen solche Handschuhe in Raum 31.02

Klopfen

Wenn das richtige Anpacken nichts hilft, ist Klopfen in aller Regel die nächstbeste Option. Nur bei verklebten oder verharzten Schliffen wird man diesen Schritt überspringen und lieber gleich anwärmen wollen. Beim Klopfen müssen Sie Geduld haben und es immer weiter versuchen. Wenn das Klopfen von verschiedenen Seiten möglich ist, probieren Sie es von verschiedenen Seiten aus! Es ist durchaus möglich, dass erst der hundertste Schlag zum Erfolg führt. Professionelle Glasbläser schlagen mit Holzstöcken mit Geduld beständig auf die Schliffverbindung ein - und haben diese innerhalb 1 Minute auf! Wenn Sie gar nichts an Hilfsmitteln haben, klopfen Sie gegen eine Tischkante aus Holz. Es gibt aber auch im Praktikum ein paar Hilfsmittel, die in den nachfolgenden Beispielen besprochen werden.

 

  1. Auf einem Kolben festsitzender Stopfen
    Bei einem festsitzenden Stopfen wird in Pfeilrichtung gegen den Schliffrand geklopft. Es sind die dadurch ausgelösten minimalen Glasschwingungen, die zum Trennen der Schliffverbindung führen.
    Am besten geht das mit einem Stock aus Hartholz. Der Stock in der Abbildung ist schon sehr abgenutzt. Das abgetragene Holz hat eine schön rauhe Oberfläche zurückgelassen, die an vorhandenen Glasvorsprüngen gut greift.
    Und so geht's. Am kräftigsten dürfen Sie auf den Wulst der Schliffhülse schlagen, weil das Glas hier am dicksten ist. Wenn Sie durch flachere Schläge den Stopfen herausschlagen wollen, müssen Sie vorsichtiger sein, weil der Nicht so viel aushält. Haben Sie Geduld! Wenn es nicht klappen will, drehen Sie den Schliff etwas und schlagen Sie von der anderen Seite. Es kann sein, dass Sie ein bis zwei Minuten schlagen müssen, bis Sie Erfolg haben!

     

  2. Festsitzendes Hahnküken
    Es ist heutztage leider die Regel, dass Hahnküken aus einem anderen Glasmaterial gefertigt werden, welches sich dadurch auszeichnet, dass es sich beim Erwärmen stärker ausdehnt, als das Borosilikatglas.

    Einen solchen Hahn dürfen Sie nie in der Flamme oder mit einem Heißluftgebläse erwärmen, weil dabei unweigerlich der Hahn reißt! Lassen Sie es auch nicht zu, dass das ein netter aber ahnungsloser Assistent für Sie macht!!

    Klopfen ist hier die allererste Wahl! Wichtig dabei ist es, den Hahn auf einer harten Unterlage gut abzustützen. Im Praktikum steht dazu ein Formstück (Raum 31.02) zur Verfügung, in das der Hahn kopfüber exakt hineinpasst. Leider gibt es viele verschiedene Hähne und deshalb braucht man auch verschiedene Formstücke...

    Da das Glas optimal abgestützt ist kann man mit einem schweren Klopfholz arbeiten und damit sehr kraftvolle Schläge machen. Wenn kein passendes Formstück zur Verfügung steht, kann der Hahn auch auf einem Eisenstück (z.B. Winkeleisen) abgestützt werden. So macht das zum Beispiel grundsätzlich der Glasbläser.
    Wenn Sie so recht gar keine Hilfsmittel an der Hand haben, dann stützen Sie den Hahn auf beiden Seiten mit der Hnd ab. Ihre Finger sind keine harte Unterlage, deshalb werden Sie so nur in leichten Fällen Erfolg haben.
    Keine Angst: Sie werden sich beim Klopfen nicht an den Fingern weh tun.

     

  3. Abgebrochenes Schliffstück
    Hier ist schon ein Malheur passiert. Aber wie nun den Glasrest aus dem Schliff bekommen? Man kann ja nirgends mehr anfassen!

    Hier hilft ein Stück Flacheisen, in das ein Haken hineingefeilt worden ist.

    Durch die Öffnung hindurchstecken ...
    ... und dann ein kurzer lockerer Ruck - und schon hängt der Rest am Haken.

 

Kriechöl

Es können die typischen Baumarktprodukte verwendet werden. Die Verwendung eines Kriechöls macht nur Sinn, wenn der Schliff nicht mit Fett oder anderen Substanzen verbacken ist, denn nur dann kann das Kriechöl aufgrund der Kapillarkräfte in den Schliff hineinkriechen. Kriechöl ist also vor allem ein Hilfsmittel bei verkanteten Schliffen. Schliffe, die nicht verbacken sind, erkennt man an dem für saubere Schliffflächen typisch matten Aussehen.

Allerdings braucht man viel Geduld, denn meist dauert es Stunden bis Tage bis das Mittel in die gesamte Schlifffläche eingezogen ist. Es wird so lange immer wieder auf die Schliffoberkante aufgetragen, bis die Verbindung vollkommen durchtränkt ist.

Ist durch die fest sitzende Schliffverbindung eine Substanz eingeschlossen, die beim Erwärmen einen Dampfdruck entwickeln kann, so sind die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten hiermit erschöpft.

Im Extremfall kann es sein, dass man den Kolben zerschlagen muss, um an die Substanz wieder heranzukommen. (Auch das sollten Sie sich vom Assistenten zeigen lassen.) Wenn keine Substanzen mit im Spiel sind, kann man die Schliffverbindung

Erhitzen

Dies ist die beliebteste Methode, weil sie sehr schnell ist. Durch das Erwärmen soll folgendes erreicht werden:

  • Verklebende Substanzen zwischen den Schliffflächen sollen weich und dünnflüssig werden.
  • Die äussere Schliffhülse soll heißer sein als der innere Schliffkern. Dadurch dehnt sich die Hülse etwas mehr aus und soll dabei dem noch kalten Kern mehr Raum geben.

Das zweite Argument erfordert, dass der Schliff so rasch und kräftig erwärmt wird wie möglich. Es gibt nur ein kurzes Zeitfenster, in dem die Hülse schon heiß, der Kern aber noch relativ kalt ist. Das Zeitfenster ist umso länger, je kräftiger die äußere Erwärmung ist. Am besten arbeiten Sie deshalb mit dem Brenner. Das Arbeiten mit dem Heißluftgebläse ist zu zaghaft. Das Gebläse entwickelt zu wenig Hitze und vor allem kann man damit nicht punktgenau die Schliffhülse erwärmen sondern nur große Flächen also - falsch - das Bauteil, welches den Schliffkern trägt, gleich mit.

  • Überlegen Sie vor dem Erwärmen, wo Sie nachher anfassen wollen und ob die Stelle nach dem Erwärmen heiß sein wird. Ziehen Sie gfls. einen Lederhandschuh an!
  • Sie müssen die Schliffverbindung gleichmäßig von allen Seiten erwärmen, also am besten in der Flamme beständig drehen. Überlegen Sie vor dem Erwärmen, wie Sie das anstellen wollen. Am besten üben Sie es vorher auch einmal, damit nachher nichts schief geht. Mittelschliffe von Dreihalskolben oder Schliffhähne können Sie nur von zwei Seiten erwärmen. Sie müssen also:
    • Die Verbindung in die Flamme halten,
    • herausnehmen und wenden,
    • wieder in die Flamme halten,
    • herausnehmen und wenden,
    • usw.

 

Das Video soll Ihnen eine Ahnung davon geben, wie es funktioniert. Beachten Sie:

  • Die Flamme befindet sich mit ihrer heißesten Stelle am Schliff!

    Keine Panik jetzt! Das Glas reißt schon nicht!

    Gucken Sie jetzt nicht auf den Schliff, wie das Kaninchen auf die Schlange! Was Sie jetzt machen müssen ist: Den Schliff drehen, drehen, drehen - Nein! nicht zaghaft und hakelig, sondern gleichmäßig und beherzt!

Wie lange muss man nun erhitzen?

Dafür muss man ein Gefühl haben. Faustregel:

  • Wenn der Schliff verbacken ist, erhitzen Sie so lange, bis Sie eine Veränderung in der Schliffverbindung erkennen. Oft schmilzt etwas zwischen den Schliffwänden auf oder fängt sogar an, Siedeblasen zu bilden.

In dem Video ist das Aufsieden von Substanz zwischen den Schliffflächen simuliert. Manchmal ist die Änderung weitaus weniger spektakulär, z.B. dass die Transparenz der Verbindung noch ein wenig weiter abnimmt.

  • Beachten Sie, dass Glas ein schlechter Wärmeleiter ist und es daher meistens ein klein wenig länger dauert, bis die genannten Veränderungen sichtbar werden. (Das Video ist ein Kompromiss zwischen Realitätsnähe und noch akzeptabler Dateigröße)
  • Egal, wann Sie den Zeitpunkt für gekommen halten: Rasch weg mit dem Brenner und die Verbindung auseinandergezogen!

Meistens dampft von der geöffneten Schliffverbindung danach Substanz ab. Zweckmäßigerweise führt man die ganze Operation deshalb von vornherein im Abzug durch und lässt dort bis zum Erkalten liegen.

Erhitzen ist kein Allheilmittel. Wenn Sie Pech haben, geht die Verbindung nicht auf. Dann brauchen Sie Geduld! Das Glas muss jetzt freiwillig wieder auf Raumtemperatur abkühlen. Kommen Sie nicht auf die Idee, mit etwas kaltem Wasser nachhelfen zu wollen - dann zerspringt Ihnen alles! Eine gute Idee ist es aber, die Schliffverbidung nach dem Erkalten auf Raumtemperatur vor dem zweiten Versuch in den Kühlschrank zu legen. Das vergrößert den Temperaturgradienten, wenn Sie es mit dem Erwärmen ein zweites Mal versuchen wollen.

Wichtig ist, dass das Glas bei stärkerem Erhitzen Spannungen zurückbehalten kann. Thermisch stark beanspruchtes Glas muss deshalb zum Glasbläser gebracht werden, um es neu tempern zu lassen.

 

Weitere Alternativen

Wenn keine Substanzen im Spiel sind und das Erwärmen nichts bringt, kann man die Schliffverbindung in einem Wasserbad "weich kochen". Auch hier soll die Wärme verklebende Substanzen dünnflüssig machen, das Wasser sie aber gleichzeitig herauslösen. Es ist mit Behandlungsdauern in der Größenordnung von einer Stunde zu rechnen. Noch effektiver wird es, wenn man das ganze unter gleichzeitiger Ultraschallbehandlung tut. Ein Ultraschallbad befindet sich in Raum 31.02.

 

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