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Bienen navigieren mit Gedächtniskarten: Studie mit neuen Erkenntnissen zum Schwänzeltanz erschienen

Biene mit Transponder

Biene mit Transponder
Bildquelle: Randolf Menzel

News vom 16.03.2023

Bienen verfügen einer neuen Studie zufolge über ein kartenartiges Landschaftsgedächtnis und sind in der Lage, von jedem beliebigen Ort zu einer in ihrem Schwänzeltanz angegebenen Stelle fliegen zu können. Aus den nun veröffentlichten Ergebnissen des Forscherteams unter Leitung des renommierten Zoologen und Neurobiologen von der Freien Universität Berlin, Prof. em. Dr. Dr. h. c. Randolf Menzel ergibt sich eine völlig neue Bewertung des Informationsgehalts des sogenannten Schwänzeltanzes der Bienen. Bislang war angenommen worden, dass Bienen lediglich vom Bienenstock aus Ziele genau ansteuern können. Die Studie “Honey Bees Infer Source Location from the Dances of Returning Foragers” ist gerade im internationalen Fachmagazin “Proceedings of the National Academiy of Science” (PNAS) erschienen. 

Tanzkommunikation der Bienen deutlich reichhaltiger ist als bisher vermutet

„Bienen sind in der Lage, die metrischen Bezüge zwischen Landmarken so einzuspeichern und für die Vektorbotschaft des Schwänzeltanzes so auszulesen, dass sie von jedem beliebigen Ort zu der im Tanz angegebenen Stelle fliegen können“, sagt Randolf Menzel. Die neue Studie zeigt damit, dass die Tanzkommunikation der Bienen deutlich reichhaltiger ist als bisher vermutet. Darüber hinaus bedeuten die Ergebnisse, dass Bienen ebenso wie Menschen über ein metrisches Landschaftsgedächtnis verfügen, in dem sie frei von dem jeweiligen Standort einen anderen Ort direkt ansteuern können. „Wir wissen, dass sie dieses komplexe und reichhaltige Landschaftsgedächtnis während ihrer exploratorischen Flüge als junge Biene erlernen“, sagt Randolf Menzel weiter.

Vor 50 Jahren hatte der deutsch-österreichische Zoologe und Verhaltensforscher, Karl von Frisch (1886-1982), den Nobelpreis für die Entdeckung des Schwänzeltanzes der Bienen erhalten. Die Insekten zeigen in rhythmischen, geradezu tänzerischen Läufen im dunklen Stock auf der vertikalen Wabe den Flug zu einer Nahrungsquelle an. Dazu verschlüsseln sie in symbolhafter Weise die Entfernung und Richtung zu der Nahrungsquelle. Die Entfernung messen die Bienen im Flug mit den Augen auf zweierlei Weise: Wie viele Flicker der überflogene Boden in ihren Augen auslöst – also über den optische Fluss – und über die Zahl der Objekte, etwa Bäumen und andere auffällige lokale Strukturen, an denen sie vorbeifliegen. Im Schwänzeltanz bedeutet jeder Schwänzel 80 Meter. Die Richtung messen die Bienen mit ihrem sogenannten Sonnenkompass.

Flüge der Bienen wurden mit einem besonderen Radargerät verfolgt

Im dunklen Bienenstock bedeutet eine Schwänzelstrecke nach oben, dass in die Richtung zur Sonne geflogen werden soll. Da die Sonne im Tageslauf wandert, ändert sich die Richtung der Schwänzelstrecke relativ zur Schwerkraft. Die Botschaft der Tänzerin ist also ein Flugvektor, der Entfernung und Richtung angibt. Bisher wurde stets angenommen, dass die Bienen, die der Tänzerin folgten, die Botschaft als eine Fluganweisung verwenden, also etwa: „Fliege so weit in diese Richtung“.

Das Forschungsteam rund um Randolf Menzel hat nun nachgewiesen, dass Bienen nicht nur dann den Ort ansteuern, wenn sie von ihrem Bienenstock aus starten, in dem sie dem Tanz gefolgt sind, sondern auch, wenn sie an anderen Stellen innerhalb ihres Landschaftsgedächtnisses starten. Für die Studie wurden die Flüge der dem Tanz folgenden Bienen mit einem besonderen Radargerät verfolgt, einem harmonischen Radar. Dazu trugen die Bienen einen Transponder, über den ihr Standort alle drei Sekunden ausgelesen wurde. Ein übliches Schiffsradar sendet einen Puls aus und der Transponder schickt den Puls mit einer doppelten Frequenz zurück, die von einem speziellen Empfänger aufgenommen wird.

„Tatsächlich verwenden die Bienen sowohl die Vektorbotschaft der Tänzerin sowie die daraus von ihr erschlossene Ortsbestimmung“, sagt der Forscher der Freien Universität Berlin. Gleichzeitig habe sich gezeigt, dass Bienen auch einen von ihr bereits erschlossenen Ort als Informationsquelle nutzen. „Wir haben in der Studie und dem neuartigen Versuchsansatz nicht nur die Entdeckung von Karl von Frisch bestätigt, sondern vor allem nachgewiesen, dass die Bienen ein kartenartiges Gedächtnis haben und dieses bei der Tanzkommunikation verwenden“, sagt Randolf Menzel. (cxm)

Weitere Informationen

Link zur Studie: https://www.pnas.org/eprint/RUDKWR7KYHM2Z87SMKWI/full

Kontakt

Freie Universität Berlin, Institut für Biologie; Prof. Dr. Dr. h.c. Randolf Menzel, Tel.: 030/838-56537, E-Mail: menzel@neurobiologie.fu.berlin.de