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Forschungsteam der Freien Universität veröffentlicht Beitrag zum Verständnis der „Pubertät“ bei Pflanzen in „Nature Communications“

Die Bereitschaft zum Blühen wird bei der Modellpflanze Arabidopsis durch das Hormon Cytokinin reguliert.

Die Bereitschaft zum Blühen wird bei der Modellpflanze Arabidopsis durch das Hormon Cytokinin reguliert.
Bildquelle: Forschungsteam der Freien Universität Berlin / Thomas Schmülling

News vom 05.01.2022

Biologinnen und Biologen der Freien Universität Berlin haben herausgefunden, dass das Hormon Cytokinin bei Pflanzen einen Entwicklungsprozess reguliert, der sich mit der Pubertät, also dem Beginn der Geschlechtsreife bei Menschen und Tieren, vergleichen lässt. Pflanzen würden dem Forschungsteam zufolge erst im Laufe ihrer Entwicklung empfänglich für bestimmte Signale, die das Blühen, also den Eintritt in die reproduktive Phase, fördern. Zu diesen Signalen gehörten Reize wie die Tageslänge, die Lichtintensität und die Temperatur. Der Übergang in die reproduktive Phase werde auch von bestimmten Hormonen beeinflusst, konstatieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass der Botenstoff Cytokinin eine wichtige Rolle beim Übergang der Pflanzen in ihre adulte Phase spielt. Das Forschungsteam konnte damit für das Verständnis der „Pubertät“ bei Pflanzen einen wichtigen Beitrag leisten. Die Studie wurde im renommierten Wissenschaftsjournal Nature Communications veröffentlicht.

Das Erblühen sei ein energieaufwändiger Prozess für Pflanzen, der zeitlich abgestimmt werden müsse, erklärt Thomas Schmülling, Biologie-Professor an der Freien Universität und Mitautor der Studie. Genauso, wie sich der menschliche Körper im Laufe seiner Entwicklung verändere, wandele sich auch das Erscheinungsbild der Pflanzen, insbesondere das der Blätter. Pflanzen durchliefen nach der Keimung zunächst eine vegetative Phase, in der ausschließlich Blätter für die Energiegewinnung – die Fotosynthese – gebildet würden. Doch wie genau gelingt den Pflanzen anschließend der Übergang zur Fortpflanzungsphase, in der sie empfänglich für Blühsignale werden?

Um diese Frage zu beantworten, haben die Forscherinnen und Forscher der Freien Universität mit der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) experimentiert. Sie beobachteten, dass bei Pflanzen dieser Gattung, die durch genetische Mutationen einen erhöhten Cytokininspiegel bzw. stärkere Cytokininsignale besitzen, der Übergang zur adulten Phase früher stattfindet als bei Wildtyp-Pflanzen. Bei einem verringerten Hormonstatus verweilen die Pflanzen hingegen länger in der juvenilen Phase – die Blüte kann hinausgezögert werden. Durch Genanalysen gelang es den Biologinnen und Biologen zudem, einzelne Gene des Hormonhaushalts der Ackerschmalwand zu bestimmen, die speziell für die Regulation des Entwicklungsübergangs notwendig sind. Sie identifizierten bestimmte Cytokinin-Rezeptoren sowie spezifische Transkriptionsfaktoren, die dabei helfen, das Cytokininsignal in die Bildung wichtiger Proteine zu übersetzen. Überraschenderweise stellten sie zudem fest, dass der Transport bestimmter Cytokinin-Formen aus der Wurzel in die oberirdischen Pflanzenteile bedeutsam erscheint für den Übergang in die adulte Phase.

Wirkweise von Cytokinin

Pflanzen besäßen einen bestimmten Signalweg, der das Alter der jeweiligen Pflanze messe und während ihrer Entwicklung mitverantwortlich für morphologische Veränderungen sei, erörtert  Erstautor Dr. Sören Werner. Dieser Signalweg bestehe aus vier verschiedenen Komponenten – zwei kleinen, regulatorischen Nukleinsäuren, sogenannten microRNAs, und ihren jeweiligen Zielgenen. Anders als Messenger-RNA-Moleküle (mRNAs), die als Matrize für die Bildung von Proteinen dienen, bänden sich microRNAs an genau diese mRNAs und verhinderten so deren Übersetzung in ein Protein. Diese „negative Regulation“ werde Sören Werner zufolge durch Cytokinin beeinflusst, indem das Hormon die Bildung einer der beiden microRNAs steuere und so auch dessen Zielgene reguliere. Den Verfasserinnen und Verfassern der Studie gelang es, die regulatorische Aktivität des schon länger bekannten Cytokinins mit den erst später entdeckten microRNAs zu verbinden. So konnte das Forschungsteam die entscheidenden Komponenten des Cytokininsignalweges und des altersabhängigen Signalwegs sowie deren Überschneidungspunkt entdecken. 

Anwendungsmöglichkeiten

Diese Forschungsergebnisse ließen sich auch auf Nutzpflanzen übertragen, betont Thomas Schmülling. Der Blühzeitpunkt sei eine wichtige Eigenschaft von Nutzpflanzen, der ihren Anbau in manchen Regionen begrenze. Mit der Kenntnis des Signalweges könnten gezielter als bisher Pflanzen für den Anbau ausgewählt werden, die früher blühen und eine kürzere Generationszeit hätten. Auch eine Verzögerung der Blüte durch eine Verlängerung der juvenilen Phase könnte wirtschaftlich von Bedeutung sein. Insbesondere könne eine verlängerte vegetative Phase zur Bildung von besonders viel energetisch verwertbarer Biomasse führen. Die Erkenntnisse des Forschungsteams bedeuteten also nicht nur einen Fortschritt für die Grundlagenforschung, sondern böten auch viele praktische Anwendungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft, schlussfolgern die Forscherinnen und Forscher.

Weitere Informationen

Publikation 

Werner S., Bartrina, I., Schmülling T. (2021) Cytokinin regulates vegetative phase change in Arabidopsis thaliana through the miR172/TOE1-TOE2 module. Nature Communications 12, 5816. https://doi.org/10.1038/s41467-021-26088-z

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Schmülling, Institut für Biologie an der Freien Universität Berlin, E-Mail: tschmue@zedat.fu-berlin.de