Springe direkt zu Inhalt

Nachruf auf Professor Dr. rer. nat. Ferdinand Hucho

News from Oct 09, 2023

Nachruf auf Professor Dr. rer. nat. Ferdinand Hucho
(* 14. August 1939 – † 28. Mai 2023)

Die Freie Universität Berlin trauert um Ferdinand Hucho, der am 28. Mai 2023 im
Alter von 83 Jahren unerwartet an den Folgen eines Unfalls verstarb.


Die FU hat mit ihm einen kreativen und angesehenen Wissenschaftler verloren, der sich nach seiner Berufung im Jahr 1979 insbesondere auch um die Ausgestaltung und Entwicklung eines damals an der FU neuen und eigenständigen Biochemie-Studiengangs maßgeblich verdient gemacht hat.
Geboren in Berlin, verbrachte er seine Gymnasialzeit in Schleswig. Danach ging er zum Studium der Chemie an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, wo er 1964 das Diplom erwarb und im Jahr 1968 promoviert wurde.
Bis 1970 folgte eine Postdoc-Zeit an der University of Texas in Austin im Labor von Lester Reed, wo er über die Funktion der Pyruvatdehydrogenase in der Regulation des Stoffwechsels bei Säugetieren arbeitete.
Ab 1971 war er als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Konstanz, habilitierte sich dort im Jahr 1974 mit einem enzymologischen Thema und war ab 1975 als Dozent (apl. Professur) tätig. In dieser Phase eröffnete er sich sein neues Arbeitsgebiet, die Neurochemie, durch einen Forschungsaufenthalt am Institut Pasteur bei Jean-Pierre Changeux.
Im Jahr 1979 wurde er auf eine C3-Professur für Biochemie am Fachbereich Chemie der FU Berlin berufen und etablierte mit dem Fachgebiet Neurochemie ein neues innovatives Arbeitsgebiet.
Ab 1990 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 vertrat er sein Fachgebiet als Lehrstuhlinhaber (C4) am Institut für Chemie der FU.
Sein wissenschaftliches Hauptinteresse galt den molekularen Mechanismen der Signaltransduktion mit dem Schwerpunkt auf den Schlüsselproteinen der cholinergen Synapse (Acetylcholinrezeptor und Acetylcholinesterase). Für den nikotinischen Acetylcholinrezeptor konnte er wesentliche Elemente der Struktur und Regulation eines Rezeptorkomplexes mit Ionenkanal aufklären.
Später erweiterte er sein Forschungsspektrum auf Signalwege zum Zellkern und molekulare Schmerzforschung.
Von 1997 bis 1999 war er Dekan des Fachbereiches Chemie der FU und setzte sich für den organisatorischen Zusammenschluss der Fachbereiche Biologie, Chemie und Pharmazie zum heutigen Fachbereich BCP ein.
Von 2001 bis 2005 war er Präsident der European Society for Neurochemistry und war im Editorial Board des European Journal of Biochemistry. Er übernahm verschiedene Funktionen in Fachgesellschaften, organisierte zahlreiche Tagungen, engagierte sich in redaktionellen Aufgaben für wissenschaftliche Zeitschriften und war für die DFG, das BMBF sowie für andere nationale und internationale Forschungsförderungseinrichtungen gutachterlich tätig.
Hervorzuheben ist eine schon in den frühen 80er Jahren begonnene langfristige Kooperation mit Kollegen der Sowjetischen bzw. späteren Russischen Akademie der Wissenschaften, die u.a. zu mehreren gemeinsamen Tagungen in Berlin und Russland führte. Solche Kontakte aus West-Berlin heraus zu entwickeln war damals mit großen technischen, organisatorischen und politischen Hürden verbunden und stellte eine Pionierleistung dar.


Ferdinand Hucho war seit 1997 ordentliches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW).
Auch nach seiner Emeritierung im Jahr 2005 blieb er wissenschaftlich aktiv und war bis 2008 Sekretar der Biowissenschaftlich-medizinischen Klasse der BBAW.
Im Rahmen seiner Arbeit in der BBAW hat er sich insbesondere in der Arbeitsgruppe 'Gentechnologiebericht' engagiert, war Mitherausgeber des Berichts und hat diese Gruppe zwischen 2000 und 2007 geleitet.


Ferdinand Hucho war ein hoch geschätzter und angesehener akademischer Lehrer und wissenschaftlicher Mentor. Er war immer offen und ansprechbar und hat vielen Studierenden und Mitarbeiter*innen den Weg in die Wissenschaft gezeigt und gebahnt. Stets neugierig auf Themen außerhalb des eigenen Forschungsgebiets war ihm interdisziplinärer Austausch ein wichtiges Anliegen. Er war darüber hinaus sehr interessiert an den bildenden und darstellenden Künsten und am Berliner Kulturgeschehen, weshalb er sich auch glücklich schätzte, den Großteil seines Berufslebens in seiner Geburtsstadt verbringen zu können, wo er sich wohl und in seinem Element fühlte. Es lag ihm immer am Herzen, bei seinen Studierenden und Mitarbeiter*innen kulturelles Interesse an Dingen zu wecken, die über den engen fachlichen Rahmen hinausgingen.


Mit Ferdinand Hucho verlieren wir nicht nur einen exzellenten Wissenschaftler, sondern auch einen zugewandten, aufgeschlossenen Mentor und einen intellektuell vielseitig interessierten Menschen.
Die ehemaligen Kolleg*innen, Mitarbeiter*innen und Studierenden werden Ferdinand Hucho in ehrender und dankbarer Erinnerung behalten.


Klaus Buchner, Peter Muhn, Uli Oberdieck, Chris Weise
(Ehemalige Mitarbeiter und Doktoranden der Arbeitsgruppe Hucho)

4 / 25