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Fortgeschrittene Arbeitstechniken beim Umgang mit Inertgas

Inertgastechnik mit (Arbeitsgruppen-)Komfort.

Beim Arbeiten unter Schutzgas entsteht schnell das Problem, mehrere Gefäße nebeneinander im beständigen Wechsel entweder evakuieren oder mit Inertgas befüllen zu müssen. Vorteilhaft werden dazu Verteilerbänke (sogenannte "Rechen") verwendet. Mittels Hähnen mit schräg gebohrten Küken kann dazu aus entsprechenden Versorgungsleitungen wahlweise Vakuum oder Inertgas in die Reaktionsgefäße geleitet werden. Die Abbildung links zeigt einen kleinen Rechen, der im Praktikum verwendet wird. Forschungsabteilungen verwenden Rechen, die auch schon mal 10 solcher "Zapfstellen" enthalten können. 
Kanülendraht gibt es in mannigfaltigen Durchmessern und fast beliebigen Längen. Außerdem kann man den Kanülendraht auch ohne den (Luer-)Stutzen zum Anschluss an eine Spritze, sondern stattdessen beidseitig scharf angeschliffen kaufen. Ein beidseitig spitz geschliffener Kanülendraht von z.B. 60 cm Länge kann in die Septen zweier Gefäße gestochen werden und so z.B. das Umpumpen von Flüssigkeiten ermöglichen. In der Abbildung wird dazu der linke Kolben unter schwachen Überdruck gesetzt. Damit die umgepumpte Flüssigkeit in den rechten Kolben einlaufen kann, ist dort eine leere Kanüle zum Druckausgleicht hineingestochen.
Dreiwegehähne erleichtern das Arbeiten unter Inertgas. In der Abbildung ist links ein Kolben mit einem Dreiwegehahn luftdicht verschlossen. Zur Entnahme von Flüssigkeiten wird am seitlichen Stutzen eine Inertgasversorgung angeschlossen und oben ein Septum aufgesetzt. Bei entsprechender Stellung des Dreiwegehahns kann der Kolben unter Überdruck gesetzt werden und gleichzeitig eine Kanüle durch die Bohrung des Kükens bis zur Flüssigkeit vorgeschoben werden. Vorteil: Das Septum ist nur zur Entnahme erforderlich und kann bei einem Defekt leicht gewechselt werden ohne dass der Kolbeninhalt der Luft ausgesetzt wird.

Selbstentzündliche Chemikalien

Das Arbeiten mit Chemikalien, die sich an der Luft von selbst entzünden, ist die Königsdisziplin beim Umgang mit Spritzen. Ein Fehler kann tödlich sein!

Gefürchtet ist das Verstopfen der Kanüle. Gerade reaktive metallorganische Verbindungen bilden gern anorganische Hydrolyseprodukte, die die Kanüle verstopfen. Wer dann einfach kräftig drauf los drückt, kann die ja nur aufgesteckte Kanüle von der Spritze absprengen. Die reaktive Mischung schießt dann mit Wucht vorn heraus und entzündet sich sofort.

Theoretsch würde davor eine Spritze mit einem sog. 'Luer-Lock'-Anschluss schützen. Die Kanüle wird auf diesen Anschluss nicht einfach nur gesteckt sondern hineingedreht. Der Anschluss enthält dazu ein genormtes Innengewinde, in die alle gängigen Kanülen hineingedreht werden können - egal, ob sie nur zwei oder sogar vier 'Nasen' haben, die in das Gewinde greifen. (Siehe Abbildung)

Leider gibt es derzeit keine brauchbaren Plastikspritzen mit hinreichender chemischer Stabilität, die mit einem Luer-Lock-Anschluss ausgestattet sind. Metallspritzen sind ebenfalls wenig geeignet, weil sie bei der Verwendung luftzersetzlicher Substanzen schnell zum Festfressen neigen. Es gilt also, mit den "einfachen" Einwegspritzen zu leben und deren Nachteile durch Sicherheitsmaßnahmen zu kompensieren:

  • Spritze nicht zu heftig entleeren, weil die Kanüle sonst abspringt. Die Kanüle sollte so fest wie möglich aufgesteckt werden.
  • Nur kleine Mengen abmessen, um den Fall beherrschen zu können, dass die Kanüle verstopft ist.
  • Da man den Kolben bei einfachen Einwegspritzen leicht nach hinten herausziehen kann, sollte die Spritze mit selbstentzündlichen Stoffen nur bis zur Hälfte aufgezogen werden. Es hat schon Todesfälle gegeben, wo Opfer verbrannt sind, weil der Kolben beim Aufziehen herausgepoppt ist und der Spritzeninhalt sich brennend auf das Opfer ergossen hat.

Halten wir fest: Das Hantieren selbstentzündlicher Substanzen ist auch bei Verwendung von Spritzen heikel! Wie man das richtig macht, kann man sich nicht mal eben anlesen, sondern es bedarf einer ausführlichen praktischen Anleitung und kann also nicht Gegenstand dieses WEB-Angebots sein. Ob eine Substanz selbstentzündlich ist oder nicht, ist auch eine Frage der Konzentration. n-Butyllithium ist eine per se selbstentzündliche Substanz, wird im Praktikum jedoch in Konzentrationen eingesetzt, die sich an der Luft nicht spontan von selbst entzünden.

 -> Grundlegende Inertgastechniken

Anregungen und Kritik
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