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Chemikalien auf der Bekleidung

Die betroffenen Kleidungsstücke müssen runter - aber macht das wirklich jede(r)?

Eine Praktikantin erhält ein weißes T-Shirt passender Größe zum Anziehen. Auf das T-Shirt wird an einem Arm etwas Cola gegossen, so dass das T-Shirt deutlich sichtbar mit einer braunen Flüssigkeit durchnässt ist.

Zurück bei den anderen berichtet das Unfallopfer, dass ihm "da drüben" etwas umgekippt sei und dass der Arm an der Stelle jetzt schmerzt.

Das Unfallopfer ist instruiert das Ausziehen des T-Shirts strikt zu verweigern.

Klicken Sie auf das nebenstehende Bild, um sich ein Video von der Übung anzusehen.

Lernziele:

Es gibt wohl keine Sicherheitsunterweisung für das Arbeiten in einem chemischen Labor, wo das folgende nicht gesagt wird:

  • Sind Chemikalien auf die Bekleidung gelangt, sind betroffene Kleidungsstücke sofort abzulegen.

Prima, wenn das im Ernstfall sofort gemacht wird. Es gibt aber Menschen, die das nicht machen. Universitäten, die an ihren internationalen Netzwerkfähigkeiten feilen, müssen sich daran gewöhnen, dass sie auch Personen beschäftigen oder ausbilden, die "lieber sterben würden" als sich vor anderen Leuten ihrer Kleider zu entledigen.

Die Ersthelfer stehen dadurch vor einem Dilemma: Sie müssten der betroffenen Person offenbar gegen Ihren Willen Gewalt antun, um ihr zu helfen. Sie reden lange auf die Person ein (und vertrödeln damit viel kostbare Zeit) und versuchen sich - wenn alles nichts fruchtet - an wenig tauglichen Ersatzlösungen, z.B. die ganze Person so wie sie ist, mit Wasser abzuspülen (Was die Chemikalie schön auf der gesamten Bekleidung verteilt.) oder die betroffenen Teile der Bekleidung abzuschneiden (Dauert viel zu lange.). Oder sie werden immer zudringlicher und lassen sich auf einen Kampf mit dem "Unfallopfer" ein. Der Instrukteur muss das Unfallopfer hier schützen und die Übung rechtzeitig abbrechen - und das dem Umfallopfer auch vorher bei der Einweisung in die Hand versprechen.

Die Lösung findet sich nach dem Abbruch der Übung meist sehr schnell: Die Akzeptanz des Unfallopfers ist sofort gegeben, wenn die Umgebung diskret ist. Also werden entweder alle störenden Personen aus dem Raum entfernt, oder die betroffene Person in einem benachbarten Raum gebracht, wo keine störende Person vorhanden ist. Das kostet zwar auch ein bisschen Zeit, ist aber sofort zielführend.

Eine der wichtigsten präventiven Maßnahmen ist das Bevorraten einer kompletten Garnitur Ersatzkleidung.

  • Wer weiß, dass er hinterher etwas sauberes anziehen kann, legt die betroffene Bekleidung bereitwilliger ab.
  • Wer Chemikalien z.B. über die Hose bekommen hat, wird die Hose nicht durchspülen und wieder anziehen können. In Unterhosen will aber niemand freiwillig irgendwo hingehen - weder nach Hause, noch zum Notarzt, um die betroffenen Hautpartien ärztlich versorgen zu lassen.

Was bei der Übung gern vergessen wird:

Wenn das Unfallopfer davon berichtet, "irgendwo" etwas umgekippt zu haben, ist dort möglicherweise eine Gefahrenstelle entstanden, die zumindest begutachtet und vermutlich gesichert werden muss. Das "Unfallopfer" muss dazu entsprechend befragt werden und ein zweiter Ersthelfer muss entsprechende Erkundigungen unternehmen. Wenn das meist unterbleibt, ist das aber auch der künstlichen Übungssituation geschuldet.

Hinweise:

  • Da Schamprobleme bei Frauen im Gegensatz zu Männern auch schon oberhalb der Gürtellinie einsetzen können, kann das Problem sehr viel preiswerter von einer weiblichen Praktikantin dargestellt werden, weil es viel billiger ist, ein halbes Dutzend T-Shirts zu bevorraten als eine mindestens ebenso große Zahl von Hosen. Wenn möglich wird eine aus dem asiatischen Raum kommende Praktikantin ausgewählt, weil dort entsprechende Hemmnisse in der Regel verbreiteter sind und deshalb von entsprechenden Frauen glaubhafter gespielt werden können.
  • Diese Übung ist ein schöner Beleg dafür, dass es nur die eine Hälfte der Medaille ist, als für die Sicherheit Verantwortlicher am Schreibtisch sitzend Regeln in Paragraphen und Handlungsanweisungen zu gießen und dabei das technisch notwendige zu regeln. Die andere Hälfte besteht darin, sich in die Rolle der Adressaten hineinversetzen zu können, um die notwendigen Maßnahmen auch umsetzbar zu machen und dabei vielleicht etwas mehr auf der Pfanne zu haben als: "Na dann müssen die eben...".
  • Ein Wort an betroffene Bereichsleitungen: Wer Chemikalien auf der Bekleidung hat, muss die betroffene Haut spülen. Lange spülen! "Lange" heißt z.B. 15 Minuten - im Endeffekt also bis zum Eintreffen der alarmierten Feuerwehr. Leitungswasser kommt aber aus Erdleitungen und hat auch im Sommer nur Temperaturen um die 10 °C. Schaffen Sie das: 15 Minuten mit 10 °C kaltem Wasser zu duschen? AHA! Dann braucht das Institut in jedem Gebäude wenigstens eine Möglichkeit, sich warm abduschen zu können. Der Schlüssel zur Dusche kann ja gern in einem Glaskasten zum Einschlagen hängen, damit nicht "alle" ihre häuslichen Energieminimierungsanstrengungen auf Kosten des Instituts praktizieren.
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