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Wissenschaftliche Grundlagen

Wir schlagen ein radikal neues Verfahren vor, mit dem zeitlich und räumlich begrenzte Umweltbelastungen unter der Mitarbeit von tausenden von Bienen erkannt werden können und so einer präzisen Probenentnahme sowie Analyse zugeführt werden können. Dazu werten wir mit geeigneten Detektoren innerhalb der Bienenvölker fortlaufend und automatisch die Veränderung der Kooperation und Kommunikation im Bienenvolk aus, die durch die Aufnahme von Pestiziden erfolgt. In der ersten Phase wird die praktische Einsetzbarkeit des Verfahrens entwickelt. Daran schließt sich in einer zweiten Phase in Zusammenarbeit mit einem oder mehreren mittelständigen Unternehmen die praktische Implementierung in einem größeren Umfang an.

Ziel unseres Verfahrens ist es die sensible auf Pflanzenschutzmittel reagierenden Honigbienen als Indikatoren für Umweltbelastungen einzusetzen. Dies gelingt, weil die Pestizide auf das Nervensystem der Bienen wirken und dabei bereits bei weit unterhalb der letalen Dosen zu Verhaltensänderungen führen. Die sozialen Bienen sind als solche Indikatoren deshalb hervorragend geeignet, weil sie in einem komplexen Netzwerk von Kommunikation stehen, das sich mit unseren Methoden fortlaufend und automatisch auswerten lässt.

Es ist unausweichlich, Schädlinge unserer landwirtschaftlichen Produktion einzugrenzen. Dies gilt besonders bei intensiver Landwirtschaft und Monokulturen in denen Schädlinge besonders massiv auftreten. Es ist aber im Interesse der Bevölkerung, der Biodiversität und der Kulturlandschaft den Einsatz von Pestiziden soweit als möglich zu begrenzen. Aus Kostengründen und vielfach auch aus Unkenntnis werden insbesondere die chemischen Methoden zu unachtsam eingesetzt, was wiederum in den Auswirkungen meist unerkannt bleibt. Die Folge ist, dass das Bedürfnis nach mehr selektiver Wirkung solcher Pestizide nicht genügend nachdrücklich von der Gesellschaft vertreten werden kann. Dieser Kreislauf von Unkenntnis der Auswirkungen, laxem Umgang und Geschäftsinteressen vieler Beteiligter hat leider dazu geführt, dass mit der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität eine massive Umgestaltung unserer Umwelt verbunden ist, die sich auch auf die Gesundheit des Menschen auswirkt. Hier gilt es einen Wandel anzustreben, der die Verantwortung aller Beteiligten und der ganzen Gesellschaft dadurch befördert, dass die nötige Information über die Auswirkungen zur Verfügung gestellt werden, und zwar mit der angemessenen räumlichen und zeitlichen Auflösung und mit einem vertretbaren finanziellen Aufwand. Wir schlagen hier ein radikales Umdenken beim Umweltmonitoring vor.

Die physikalisch-chemischen Methoden der Erfassung von Umweltbelastungen beruhen auf einem monokausalen Verständnis. Modellorganismen werden drauf untersucht, bei welchen Dosen etwa die Hälfte der Organismen sterben (LD 50 Dosis). Auch wenn versucht wird die Komplexität der natürlichen Umwelt zumindest ansatzweise in die Analyse mit einzubeziehen, werden dabei 3 Prinzipien nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt. (1) Eine LD 50 Dosisbestimmung berücksichtigt nicht, dass bereits bei sehr viel geringeren Dosen die homöostatischen Regelmechanismen der Organismen beeinträchtigt werden, seine Empfindlichkeit gegenüber anderen Faktoren wie Krankheitserreger beeinträchtigt wird und langzeitige Effekte auftreten können, die nicht erfasst werden. (2) In der natürlichen Umwelt wirken viele Faktoren in einer kombinatorischen Weise zusammen. Dieses Netzwerk von Wirkungen ist charakterisiert durch nicht-lineare, sprunghafte Übergänge. (3) Die zeitliche Dynamik dieser kombinatorischen Wirkungen wird in einem monokausalen Ansatz nicht berücksichtigt. 

In der Ökologie gehört es zum Standardwissen, dass ein Habitat am besten durch darin lebenden Organismen charakterisiert wird. Dabei sind es vor allem die sogenannten Leitorganismen, die ein Habitat in seinem dynamischen Geflecht von chemischen, physikalischen und biologischen Faktoren charakterisieren. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass auch zeitlich begrenzte Faktoren sowie die kombinatorische Verflechtung solcher Faktoren  die Lebensbedingungen der Organismen in einem Habitat wesentlich beeinflussen. Zum Prinzip des Umwelt Monitorings sollte es daher gehören, sich der Mit- und Zuarbeit von Organismen im Habitat zu versichern.  Dies wird umso effektiver sein, je reichhaltig die Information ist, die die Organismen liefern und je einfacher diese Information ausgewertet werden kann.

Honigbienen sammeln Material und Information. Bienen leben in sozialen Gemeinschaften mit 20.000 bis 60.000 Tieren pro Volk von denen jeweils ungefähr die Hälfte Flugbienen sind, die Nahrung (Nektar, Pollen) aber auch Material (Wasser, Harz) für das eigene Volk sammeln. Mit dem gesammelten Material kommt Information in das Bienenvolk in dem Sinne, dass dieses Material für die Lebensumstände des Volkes von unmittelbarer Bedeutung ist. Tausende von Flugbienen decken ein Areal von ca. 10 – 15 km2 ab, und mit dem Material, das sie in dem Areal sammeln, bringen sie Information über dieses Areal in das Volk, denn die Pestizide wirken auf ihr Nervensystem und verändern ihr Verhalten auch bei sehr geringen Dosen. Der Volkszustand hängt damit direkt von dem eingebrachten Material ab und reagiert darauf. Es ist diese Reaktion, die uns Information über dieses Areal zur Verfügung stellt. Ein sehr erfahrener Imker, der Völker gleichzeitig an mehreren Standorten betreut, kann durch Vergleich zwischen den Standorten und über die Zeit hinweg auch subtile Veränderungen registrieren. Unser Ziel ist es die Information, die der erfahrene Imker dabei auswertet, so zu erfassen und auszuwerten, dass schnell, fortlaufend und ohne großem Aufwand Aussagen über Änderungen in den Habitatzuständen gemacht werden können. Dabei geht es uns nicht so sehr um die Bienen und deren Wohlergehen (obwohl dies natürlich auch ein ehrenwertes Ziel ist), sondern um die Erkennung von Belastungen, die alle anderen Organismen inklusive den Menschen betreffen. Bienen sind daher gerade durch ihre soziale Volksstruktur und die große Zahl der Individuen die idealen Umweltspäher.

Unsere Entdeckung: Das soziale Gefüge eines Bienenvolkes lässt sich automatisch und fortlaufend messtechnisch erfassen. Die dabei extrahierten Parameter sind Indikatoren für den Gesundheitszustand des Volkes. Das soziale Gefüge des Bienenvolkes wird durch eine Fülle von Kommunikationsformen gesteuert und aufrechterhalten. Dabei spielen zwei sensorische Kanäle eine zentrale Rolle, der akustische und der elektrostatische. Wir konzentrieren uns auf den elektrostatischen Kanal. Wir fanden, dass die elektrostatischen Wechselfelder, die bei Bewegung des Insektenkörpers entstehen, von den Bienen wahrgenommen werden und soziale Signale darstellen (Greggers et al. 2013 ).

 Link zu den Grundlagen: http://www.honeybee.neurobiologie.fu-berlin.de/column/ESF.html

Zusammen mit den akustischen und Substrat vibratorischen Signalen stellen diese elektrostatischen Signale hochsensible Indikatoren für den Gesundheitszustand des Volkes dar. Wir haben Methoden entwickelt, die es uns erlauben über die Analyse der Frequenzspektren solcher Signale Einblick in das soziale Gefüge und seine Veränderung zu erlangen.

Die Kutikula von Insekten ist ein hoch isolierendes Material ( >1012 Ohm). Wenn die Oberflächen aller Körperteile des Insekts im schnellen Fluge der Luftreibung ausgesetzt sind, kommt es zu elektrostatischen Aufladungen. So tragen z.B. Flugbienen mit ihren vier Flügeln beim Ankommen am Stockeingang Ladungen, die zu Spannungsunterschieden von mehreren hundert Volt führen. Wir konnten zeigen, dass auch tanzende Bienen noch stark aufgeladen sind und somit die elektrostatischen Kräfte die Kommunikation durch Schwänzeln stärker unterstützen als die akustischen Kräfte .

Statische elektrische Ladung am Stockeingang ankommender Bienen

Weiterhin fanden wir, dass vor allem die Mechanorezeptoren auf und in den Antennen für die Wahrnehmung dieser elektrostatischen Felder zuständig sind.


Coulomb Kräfte führen zu einer Bewegung der Antenne wenn ein Flügel in der Nähe bewegt wird

Die Tanzaktivität auf der Wabe stellt eine besondere Komponente des Arbeitsgefüges in einem aktiven und gesunden Volk dar. Ihr gilt unser besonderes Augenmerk, weil ihr Ausbleiben und Veränderung unter ansonsten günstigen Sammelbedingungen schon allein auf eine Gefährdung des Volkes hindeutet. Wichtig für uns ist auch der Nachweis, dass die Tanzrhythmen von den Nachtänzerinnen wahrgenommen werden und somit zur sozialen Kommunikation gehören.

Das Bild zeigt ein Bespiel für die durch die Tanzbewegungen erzeugten Modulationen des elektrostatischen Felds, das von einer Tänzerin ausgeht.

Unser Arbeitsplan für die nächsten Jahre gliedert sich in zwei Stufen: (1) Etablierung der Routinemethoden zur Datenerfassung und –Analyse während systematisch durchgeführter Pestizidbelastungen und deren quantitativer Erfassung. (2) Aufbau eines exemplarischen Netzwerkes von 20 Bienenvölkern, die mit unseren Sensoren ausgestattet. Hierfür suchen wir kooperierende Imker.

 

Publikationen:

Greggers U, Koch G, Schmidt V, Dür A, Floriou-Servou A, Piepenbrock D, Gopfert MC, Menzel R (2013) Reception and learning of  electric field in  bees. Proc R Soc Lond B 280 (1759), 20130528 [pdf]

U. Greggers, Bienen als Umweltspäher – ein radikal neuer Ansatz,(2013), Symposium Mellifera / Rosenfeld [pdf]

Neurobiologie