Verhängnisvoller Lockruf – Pflanzen “riechen” die Sexuallockstoffe eines Schadinsekts und verbessern ihre Abwehr gegen Insektenbefall
Die Waldkiefer bereitet sich auf einen drohenden Insektenbefall vor, wenn sie die Sexualpheromone der Blattwespe wahrnimmt.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher
News vom 21.11.2019
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität Berlin entdeckten in Zusammenarbeit mit dem Ökologieforschungsinstituts CREAF aus Barcelona und der schwedischen Universität Lund eine bisher unbekannte Verteidigungsstrategie von Pflanzen gegen eine sehr frühe Phase von Insektenbefall, gegen die Eiablagen von Insekten.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Monika Hilker vom Institut für Biologie der Freien Universität Berlin zeigte das internationale Team, dass Pflanzen einen drohenden Insektenbefall „riechen“, wenn sie die Sexualpheromone des Insekts wahrnehmen. Durch Pheromone „gewarnte“ Pflanzen können die Insekteneier effektiver abtöten und sich somit vor Fraßschaden durch Larven, die aus den Eiern schlüpfen, schützen.
Das Team entdeckte dieses Phänomen durch Untersuchungen an der Waldkiefer, die dem Pheromon und den Eiablagen einer pflanzenfressenden Blattwespe ausgesetzt war. Weibchen dieser Blattwespe locken ihre Männchen durch Pheromone zur Paarung an. Dies war lange bekannt durch Studien des schwedischen Wissenschaftlers im Team, Prof. Dr. Olle Anderbrant. Nach der Verpaarung legen die Weibchen ihre Eier auf Kiefernnadeln ab. Die schlüpfenden Larven können Kiefernwälder erheblich durch ihren Fraß schädigen.
In der vor kurzem im Wissenschaftsmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS)1 erschienenen Studie konnten die Forscher zeigen, dass Kiefernbäume, die dem Sexuallockstoff der Blattwespe ausgesetzt waren, ihre Verteidigung gegen die Eier der Blattwespe durch molekulare und chemische Veränderungen in den Kiefernnadeln verstärken.
Pheromon-exponierte Bäume können rund 50 Prozent mehr der Eier des Insekts abtöten als Bäume, die dem Pheromon nicht ausgesetzt waren. „Es ist faszinierend, dass Pflanzen diese Pheromone als Warnsignal erfassen und sich dann besser auf ein bevorstehendes Stressereignis vorbereiten können“, sagt Dr. Norbert Bittner, der Erstautor dieser Publikation, der die Untersuchung zusammen mit seinen Kollegen Dr. Ander Achotegui-Castells und Janik Hundacker vorangetrieben hat.
Die Studien des Sonderforschungsbereichs (SFB) 973, der von Monika Hilker geleitet wird, fokussieren auf die Frage, wie Pflanzen – als Organismen ohne Nervensystem – Alarmsignale aus der Umwelt wahrnehmen und sich daraufhin besser auf bevorstehenden Stress vorbereiten. Wie allerdings ein Kiefernbaum die Sexualpheromone eines Insekts „riecht“, das ist bisher noch unbekannt und muss in zukünftigen Studien erforscht werden. Falls andere Pflanzenarten ähnlich wie die Waldkiefer auf Sexualpheromone von Insekten reagieren, könnten diese Befunde möglicherweise im Pflanzenschutz relevant werden und die Anwendung von Insektenpheromonen fördern, die für viele landwirtschaftliche und forstliche Schadinsekten synthetisch verfügbar sind.
Zur Publikation:
1Norbert Bittner, Janik Hundacker, Ander Achotegui-Castells, Olle Anderbrant and Monika Hilker (2019). Defense of Scots pine against sawfly eggs (Diprion pini) is primed by exposure to sawfly sex pheromones. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS). https://doi.org/10.1073/pnas.1910991116