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Die Menge macht's, dass etwas gefährlich ist

Sie lesen hier das Kernproblem der Arbeitssicherheit!

Sicherheitsdatenblätter oder Einträge der Gestis-Stoffdatenbank sind vollgestopft mit Sicherheitshinweisen.

Anfänger verschreckt das.

Alles scheint irgendwie gefährlich zu sein.

Sicherheitsdatenblätter haben aber eher weniger die Präventionsmaßnahmen beim Rühren eines Stoffes in einem 100-ml-Rundkolben zum Inhalt, sondern müssen insbesondere auch abdecken, wie das gleiche Zeug in einem 200-l-Rührkessel zu handhaben ist. Die Bewertung - nicht das Abschreiben (!!) - ist also die wesentliche Aufgabe bei der Gefährdungsbeurteilung.

Beispiel:

Ein Kleines Einmal-Gasfeuerzeug produziert ein kleines Flämmchen. Selbst wenn das Einmal-Feuerzeug in den Müll geworfen wird und das Gas durch Bruch freigesetzt wird, kann es nicht mehr als ein kleines Püffchen geben.

Spraydosen (z.B. Haarspraydosen - Siehe Bild) sind hingegen schon kleine Flammenwerfer. Unbedacht vor einen Heizlüfter gestellt, können sie zerknallen und die entstehende Druckwelle dabei Wände ungewollt verrücken.

Wenn mit Druckgas beladene Kesselwaggons in Brand geraten ist das sogar eine erstrangige Katastrophe!

Alle drei Behältnisse enthalten vom Gefahrenpotential her das gleiche, nämlich unter Druck verflüssigtes brennbares Gas.

  • Beim Feuerzeug ist das gewollt, schließlich will man damit ja etwas anzünden.
  • Bei der Haarspraydose ist das ungewollt, aber das Ergebnis einer Risikoabwägung. Jahrelang hat man Spraydosen mit brandsicheren halogenierten Kohelnwasserstoffen als Treibgas betrieben, bis man feststellen musste, dass diese alle die Ozonschicht schädigen. Heutzutage gilt es also eher als hinnehmbar, dass ein Unachtsamer seine Wohnung in Brand setzt, als dass man die ganze Welt durch den Abbau der Ozonschicht schädigt.
  • Bei den Druckgasen in den Kesselwaggongs handelt es sich in der Regel um Monomere, aus denen man die Polymere, also Kunststoffe macht, z.B. Propen (->Polypropylen) oder Vinylchlorid (->Polyvinylchlorid oder "PVC"). Wenn die Kunststoffproduktion allein in Deutschland im Jahr 2011 20,7 Mio. t betrugt, bedeutet das, dass eine vergleichbare Menge der Monomere als hochentzündliches und teilweise auch giftiges Druckgas mit der Eisenbahn vom Hersteller zum Endverarbeiter gekarrt wurde. Der Umstand, dass Kesselwaggonunglücke so extrem selten vorkommen zeigt, dass die technischen und organisatorischen Maßnahmen ein sehr hohes Niveau erreicht haben. Insbesondere sind Kesselwaggongs heutzutage extrem widerstandsfähig gegen Stoßbelastungen.

Für den schulischen Chemieunterricht beleuchten die letztgenannten beiden Beispiele ein höchst wichtiges Problem: Chemische Stoffe, die wir verwenden, haben nicht immer nur positive Eigenschaften sondern deren Verwendung schafft auch Risiken.

  • Wer das Plastikgehäuse für die Kaffeeemaschine will, muss das Risiko des Monomerentransport akzeptieren.
  • Wer Strom sparen will, muss bei (Kompakt)-Leuchtstoffröhren akzeptieren, dass diese eine kleine Menge Quecksilber enthalten müssen.
  • Wer sich Kosmetika in die Haare oder eine Imprägnierung auf die Schuhe sprühen will, muss das Risiko zu tragen bereit sein, das das brennbare Treibgas mit sich bringt.
  • Wer am Straßenverkehr teilnimmt, riskiert einen Straßenverkehrsunfall zu erleiden.

Lernziel:

Die Daniel-Düsentrieb-Erfindung, die nur toll ist und keine Nachteile hat, gibt es nur in Kinder-Comics. Viele Risiken gehen wir ganz bewusst ein. Wenn wir uns der Risiken nicht bewusst sind, sollten wir uns diese bewusst machen, um dann bewusst zu entscheiden, ob das Risiko es wert ist oder nicht. Ein Leben ohne Risiken gibt es nicht.

Zusatzversuche:

Machmal ist die Risikoabwägung je nach Anwendung und betroffenem Personenkreis sogar unterschiedlich. Den als Verpackungsmaterial verwendeten Polystyrolschaum kann man z.B. leicht entflammbar und schwer entflammbar erhalten. Schwer entflammbar ist er, wenn man Flammschutzmittel zusetzt. Nun sind die dazu verwendeten bromhaltigen Flammschutzmittel leider gesundheitsschädlich und können aus den damit behandelten Materialien ausdünsten, weshalb auch Fernseh- und Computergehäusen diese Schutzmittel nicht mehr enthalten. Auch häuslich vorkommender Verpackungs-Polystyrolschaum wird ohne Flammschutzmittel ausgeliefert. Das lässt die Gesundheit des Verbrauchers unangetastet, kann ihm aber den Tod bringen, wenn er das bei Entzündung extrem stark rußende Material durch Unachtsamkeit ankokelt. Sind hingegen Chemikalienflaschen bruchsicher in Polystyrolschaum verpackt, so ist der häufig nicht entflammbar.

  • Man besorgt sich je ein kleines Stückchen von jeder Sorte und zeigt, dass das eine sich anzünden lässt und das andere nicht.
  • Über das Stück, welches sich anzünden lässt, stülpt man ein großes Becherglas. Trotz der wegen Sauerstoffmangel schnell verlöschenden Flamme trübt sich die Durchsicht auch in der dünnen Schichtdicke sehr deutlich durch den Ruß, was ahnen lässt, wie tödlich eine entsprechende Atmosphäre ist und wie schnell in ihr die Orientierung verlorengehen kann.
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