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Umkristallisieren

Literaturangabe ist prima, testen ist gut, einfach drauf los machen, ist murks.

Mit System, aber ohne festes Mengenverhältnis

Mit Geduld und der richtigen Technik lösbares Problem

Ruhe bewahren! Die Substanz ist jetzt nicht "weg"!

Gehen Sie gut vorbereitet zur Sache - sonst ist Ihr Produkt gleich wieder weg!

Oft steckt noch etliches in der Mutterlauge.

Kristallisierschalen heißen Kristallisierschalen, weil sie nicht zum Umkristallisieren gedacht sind!

Was Sie falsch machen können

Das ist Murks! Von dem Murks gibt es zwei Varianten:

  1. Sie haben nur so weit eingeengt, dass noch kein Niederschlag entstanden ist. Das Auskristallisieren soll im Kühlschrank erfolgen.
    Wenn Sie damit wirklich Erfolg haben, wird die Ausbeute lausig sein. Am Rotationsverdampfer wird nämlich mit reduziertem Druck gearbeitet, weshalb der Siedepunkt des abgedampften Lösemittels beträchtlich niedriger lag als vorher bei Normaldruck in Ihrer Umkristallisationsapparatur. Sie nutzen also nur einen kleinen Teil der Temperaturspanne, weshalb sich das Löslichkeitsverhalten also auch nur entsprechend geringfügig verändert.
  2. Sie sehen beim Einengen am Rotationsverdampfer schon "Kristalle" und freuen sich darüber oder engen sogar gleich bis zur Trockne ein.
    Was Sie als "Kristalle" detektieren, ist ein Niederschlag, der den gesamten Dreck mit enthält, der auch vor dem Umkristallisieren schon in der Substanz war. Es ist sogar noch mehr Dreck geworden, weil jedes Lösemittel eine endliche Reinheit hat und nicht abdampfbare Rückstände des Lösemittels sich nun auch noch in Ihrer Substanz befinden.

Was soll man also nun machen, wenn die Lösung nicht heiß gesättigt sondern verdünnt war und deshalb nichts ausgefallen ist?

Das Abdampfen des Lösemittels am Rotationsverdampfer ist ja ein richtiger Schritt, um das Problem zu lösen. Der notwendige zweite Schritt ist aber der, nun wieder an der normalen Umkristallisationsapparatur bei Normaldruck eine Lösung herzustellen, die in der Siedehitze des Lösungsmittels gesättigt ist. Es ist Ihnen überlassen, ob Sie dazu die misslungene Lösung nur einengen oder bis zur Trockne abdampfen, um die Umkristallisation "von vorn" zu beginnen.

Diese Schlussfolgerung ist ein typischer Anfängerfehler!

Da war vorher Ihr so schön festes Rohprodukt aber das ist jetzt "verschwunden", denn Sie sehen ja nur diese Flüssigkeit! Da ist aber Ihr begehrtes Produkt immer noch drin! Wenn Sie das nicht glauben, fertigen Sie ein Dünnschichtchromatogramm Ihrer Mischung an. Dann können Sie Ihr Produkt sehen! Sie können Ihre Lösung auch in einen tarierten Kolben überführen und daraus das Lösemittel am Rotationsverdampfer abdampfen. Nach dem Gegenwiegen des Rückstandes wissen Sie sogar, wie viel Rohausbeute Sie haben.

Das Umkristallisieren einer Substanz braucht Fingerspitzengefühl und führt nicht immer automatisch zum Erfolg. Besprechen Sie die Strategie mit Ihrem Assistenten. Manchmal gibt es mehrere Strategien. Entscheiden Sie sich für eine Strategie und verfolgen Sie diese konsequent! Mixen Sie nicht aus verschiedenen Vorgehensweisen irgendetwas zusammen!

Sie haben jetzt gleich zwei Fehler auf einmal gemacht!

  1. Sie haben einen kalten Stopfen in eine heiße Schliffhüse gesteckt. Wenn die Schliffhülse erkaltet, zieht sie sich zusammen und klemmt den Stopfen ein wie ein Schraubstock - und Sie kriegen ihn nicht mehr heraus! Je höher die Siedetemperatur des Lösemittels war, um so schlimmer das Problem!
  2. In dem noch heißen Kolben hatte das Lösemittel noch einen beträchtlichen Dampfdruck. Nehmen wir vereinfachend an, zum Zeitpunkt des Verschließens läge eine Dampf-/Luftmischung im Verhältnis 1:1 vor. Nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur sei der Anteil des Lösemitteldampfs auf 10 % zurückgegangen. Es fehlt also eine Menge von 40 %, weil eine entsprechende Menge des Lösemitteldampfs beim Abkühlen auskondensiert ist. Da das Gasvolumen beim Abkühlen in erster Näherung konstant bleibt, hat der Kolben also nur noch einen Innendruck von 60 % des athmosphärischen Normaldrucks. Ein NS29-Schliff hat eine Öffnungsweite von 26 mm, woraus sich eine Fläche von 5,3 cm2 ergibt, auf der eine Druckdifferenz von 40 % Atmosphärendruck lasten. Nicht ganz wissenschaftlich, aber dafür anschaulich ausgedrückt: Das sind rund "2 Kilo", die auf den Schliff drücken!

Ergebnis:
Das kriegen Sie nicht mehr auf! Der Assistent kriegt das auch nicht mehr auf! Sie können sich den Kolben noch angucken oder ihn woanders hinstellen. Nur an Ihr Produkt kommen Sie nicht mehr heran. Und Sie müssen einen neuen Kolben und einen neuen Stopfen besorgen, denn wer will schon einen Kolben, in den man nichts hineinfüllen kann? Und entsorgen müssen Sie das evakuierte Dings auch noch.

Wie geht es also besser?
Lassen Sie den Kühler am besten noch eine Weile auf dem Kolben und verschließen Sie erst dann. Wenn der Kühler unbedingt schon vorher runter muss, können Sie beim Verschließen des Kolbens mit dem Stopfen fürs erste ein kleines Stückchen Pappe zwischen die Schliffflächen einklemmen. Der Stopfen ist dann verschlossen aber nicht luftdicht verschlossen und kann auch nicht verkeilt werden. Vergessen Sie nicht, die Pappe wieder zu entfernen, denn der Inhalt kann beim Umfallen auslaufen oder durch den Schlitz abdampfen.

Insbesondere darf der Kolben mit der eingeklemmten Pappe nicht in den Kühlschrank gestellt werden!!

Anregungen und Kritik
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