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Zurücksteigen von Reaktionsgasen

Wenn Mohammed nicht zu den Bergen kommt, kommen die Berge zu Mohammed.

Jedes Zurücksteigen muss unter allen Umständen verhindert werden!

Die Folgen eines Zurücksteigens von Flüssigkeiten in eine Druckgasflasche können von Korrosionserscheinungen des Druckgasflaschenmantels mit der damit verbundenen Abnahme der Druckfestigkeit bis zur Zersetzung des Druckgasflascheninhalts reichen, die z.B. im Falle einer Zersetzung von Phosgen durch eingedrungenes Wasser zu einem heimtückisch verzögerten Druckanstieg führt, wodurch die Druckgasflasche nach Stunden plötzlich explodieren kann!

Das Zurücksteigen von Flüssigkeiten in die Druckgasflasche ist deshalb der schlimmste Fehler, der beim Umgang mit Druckgasflaschen passieren kann! Druckgasflaschen, in die Flüssigkeiten zurückgestiegen sind, sind deshalb sofort aus dem Verkehr zu ziehen und sachgerecht zu behandeln.

Ein Zurücksteigen ist eher weniger durch plötzlichen Druckanstieg in einer Apparatur (z.B. in Folge eines Siedeverzugs) sondern vor allem durch Absorption des Gases in einer Flüssigkeit möglich. Das in der Flüssigkeit "verschwindende" Gas hat nämlich einen Unterdruck in der Zuleitung zur Folge, wenn nicht weiteres Gas mit genügender Geschwindigkeit nachgeliefert wird. Dabei kann die Flüssigkeit mit rasanter Geschwindigkeit zurücksteigen. Ein Beispiel ist die Absorption von Chlorwasserstoffgas in Wasser oder Methanol.

Jedes Zurücksteigen muss unter allen Umständen verhindert werden!

Ein Zurücksteigen kann man durch Sicherheitwaschflaschen unterbrechen:

Wichtig ist die "Polung" der Waschflasche. Falsch herum angeschlossen kann sie ihren Zweck nicht erfüllen. Die Sicherheitswaschflasche muss groß genug sein, um im Falle eines Zurücksteigens die gesamte zurücksteigende Flüssigkeit aufnehmen zu können.

Jedes Zurücksteigen muss unter allen Umständen verhindert werden!

Komplizierter wird es, wenn Gase vor dem Einleiten in eine Reaktionsmischung nachgereinigt werden sollen. Erfolgt dies mit einer Waschlösung in einer Gaswaschflasche, so sind davor und dahinter jeweils eine Sicherheitswaschflasche erforderlich, um sowohl Vermischungen der Flüssigkeiten wie das Zurücksteigen in die Druckgasflasche zu verhindern. Beachten Sie auch hier wieder die "Polungen" der Gaswaschflaschen!

Sicherheitswaschflaschen verhindern das Zurücksteigen nicht grundsätzlich, sondern unterbrechen es nur. Im Ernstfall landet die zurücksteigende Flüssigkeit zwar gesichert in einer "Falle", befindet sich aber dann trotzdem an einem Ort, wo sie eigentlich nicht hingehört. Man kann sich leicht vorstellen, dass das z.B. im Fall von Schwefelsäure, die als Waschflüssigkeit zum Nachtrocknen von Gasen verwendet wird, eine ziemliche Ferkelei ist, weil die Schwefelsäure dann zwischen 2 Waschflaschen hin- und her pendelt und auch die Schlauchverbindung - die zu diesem Zweck kurz sein sollte und überdies natürlich beständig sein muss - voller Schwefelsäure ist.

Jedes Zurücksteigen muss unter allen Umständen verhindert werden!

Will man das Zurücksteigen generell unterbinden, braucht man eine Zwangsbelüftung, die im Falle eines Unterdrucks automatisch tätig wird. Das setzt voraus, dass der damit verbundene Lufteinbruch im konkreten Fall unkritisch ist. So eine Zwangsbelüftung kann man ebenfalls mit einer Gaswaschflasche realisieren, die in diesem Fall mit nur wenigen Millilitern einer geeigneten Sperrflüssigkeit gefüllt wird. (Siehe Waschflasche (a) in der folgenden Abbildung.) Am besten ergänzt man gleich auch noch mit einer Überdrucksicherung (Sicherheitstauchung - Siehe Waschflasche (b) in der folgenden Abbildung.).

Mit einer solchen Anordnung kann man auch ruppig reagierende Gase zuverlässig unter Kontrolle halten. Die Apparatur ist freilich kompliziert. Ist nur eine einzige Waschflasche falsch herum angeschlossen oder hat einen falschen Füllstand, funktioniert das System nicht richtig. Man muss überdies sehr genau den Überblick darüber behalten, wo es bei Betrieb "blubbern" muss oder nicht blubbern darf und was es bedeutet, wenn es irgendwo blubbert, wo es gar nicht blubbern soll. Insbesondere der Füllstand der Überdrucksicherung ist kritisch, denn schon der normale Betrieb erzwingt einen Überdruck im System, der dadurch zustande kommt, dass das Gas in der Waschflasche (c) und in dem Einleitungsrohr (d) den hydrostatischen Druck überwinden muss, bevor es in den Apparaturkolben hinein entweichen kann. Bei diesem Arbeitsdruck darf die Überdrucksicherung natürlich noch nicht auslösen. Viel Spielraum hat man bei einer normalen Waschflasche nicht, weshalb die Verwendung einer gfls. gesondert angefertigten Überdrucksicherung überlegenswert ist.

Wegen des erhöhten Drucks müssen alle Schliffverbindungen der Gaseinleitung gesichert werden!

Vom konkreten Einzelfall ist es abhängig zu machen, ob aus der Waschflasche (b) bzw. aus der Apparatur austretendes Gas so wie in der Abbildung in die Athmosphäre entlassen werden kann oder ob es in geeigneten Absorptionslösungen aufgefangen werden muss, was den Aufbau natürlich noch komplizierter macht.

Wird das Gas nicht direkt in eine Flüssigkeit geleitet, sondern nur in den darüber befindlichen Gasraum entlassen, entfällt das Problem des Zurücksteigens vollkommen. Sofern möglich, sollte man also auf das direkte Einleiten verzichten.

Jedes Zurücksteigen muss unter allen Umständen verhindert werden!
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